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  • Isabell

Ob bleich oder Rot - Scham gehört zum Mensch Sein

Sie ist unangenehm, aber die Scham sollte nicht nur negativ gesehen werden.

Ich schäme mich. Ich schäme mich vor mir. Ich schäme mich vor dir. Ich schäme mich für mich. Ich schäme mich für dich.

Rot. Weiß. Scham. Die Scham, ein Gefühl, das wir nicht gerne haben. Vielleicht sogar mehr meiden als Trauer oder Wut. "Nur Menschen können Scham empfinden. Andere Gefühle, seien es Angst, Trauer oder Freude, teilen sie mit den Tieren. Doch wer sich schämt, muss ein Bewusstsein von der eigenen Persönlichkeit haben. Und er muss gleichzeitig die Fähigkeit besitzen, sich selbst aus der Perspektive der anderen zu sehen." so schreibt Ulrike Meyer-Timpe in einem Artikel in der ZEIT. Als Kind vielleicht gerügt mit den Worten "Schäme dich" und eigentlich nicht wissend worüber. So wurzelt ein Gefühl, das wie oben beschrieben, bei uns Menschen erzeugt wird; sei es unbewusst oder auch bewusst. In einer Gesellschaft, wo alle "so haben zu sein" sollen und die Dinge "nur so" zu machen sind, wer aus diesen "so" Reihen tanzt, fällt raus. Aus die Karriere in Schwanensee. Brene Brown, die zu Themen des menschlichen Verhaltens wie Scham forscht, nennt das unangenehme Gefühlt inzwischen auch "Zwangsjacke". Jene die uns in unseren Möglichkeiten einschränken. Um Schwanensee nochmal aufzugreifen: In der ursprünglichen Schwanensee-Fassung werden die verwunschene Schwanenprinzessin Odette und der Prinz Siegrfried von einer Flutwelle ertränkt. Kein HappyEnd. Also vielleicht braucht es das Bemühen um auf einer "so" Bühne zu tanzen gar nicht. Rettungsjacke statt Zwangsjacke? Denn was macht es mit uns, wenn wir uns wo hin zwängen? Wenn diese Jacke nicht passt, sie kratzt und juckt oder auch einfach zu klein, zu groß ist. Und die Farbe blaßblauviolett, die sie womöglich auch noch hat, nicht passt? Man fühlt sich falsch. Nicht richtig. Nicht gut. Eben nicht wie die anderen.

Nur was ist richtig? Was ist gut? Und vor allem: Wer bin ich und wer sind die anderen?

Scham macht auf die Würde eines Menschen aufmerksam. Auch auf die Würde sich selbst gegenüber. Denn würden wir uns nicht schämen, wären wir selbst nicht betroffen. "Wenn wir uns schämen, schüttet unser Immunsystem den Botenstoff TNF alpha aus. Wie bei einer Infektion fühlten sich die Betroffenen einen Moment lang schwach und wie gelähmt. Der Anstoß dazu muss offenbar aus dem Stirnlappen der Großhirnrinde kommen. Denn wenn der orbitofrontale Cortex geschädigt ist, verliert der Mensch sein Schamgefühl. Er stellt sich bloß, ohne es zu merken." so erklärt Ulrike Meyer-Timpe, dass es ein menschliches Gefühl ist. Wer fühlt, kann sich auch schämen.

Die Frage die sich dabei stellt: Für was schämen wir uns? Und ob es nicht oft auch gut wäre, statt gleich das tief erzogene Gefühl zu stärken mit "Ich bin falsch", zu fragen: "Bin ich wirklich falsch?" Reflektieren - sich selbst hinterfragen. Innenschauen. Auch, wenn dabei dann das rot gefärbte Gefühl eine Blassheit annehmen kann, nach Georg Christoph Lichtenberg (Mathematiker, Physiker, Naturforscher, Schriftsteller im Zeitalter der Aufklärung) zitiert.

Demut lernen zur eigenen Unvollkommenheit.

Die Scham ist weder gut noch schlecht. Sie ist ein Gefühl, das gefühlt werden sollte. Eine Kraft, die gelenkt werden darf (nach Vivian Dittmar). Die Grenze zwischen Selbstreflexion und Selbstzerfleischung liegt eng beisammen. Vivian Dittmar vergleicht es auch mit einem Spiegel.

"Scham ist ein Spiegel, wie wir auf das, was er uns zeigt, reagieren, liegt alleine bei uns." Vivian Dittmar

Daniel Hell, schweizer Psychiater, zitiert in seinem neuen Buch "Lob der Scham. Nur wer sich achtet, kann sich schämen", den Schweizer Psychiater Leon Wurmser mit

"Scham. Sie ist die 'Hüterin' der menschlichen Würde."

Er versucht in seinem Buch unter anderem die "soziale Scham" (in der Gesellschaft) und die "persönliche Scham" (in uns selbst) zu trennen.


Ob einen die Scham nun rot macht oder bleich werden lässt, das wird jede Situation zeigen. Was wir aber vielleicht mitnehmen können: Hinzusehen. Hinzufühlen. Und sich ehrlich zu fragen: Schäme ich mich für mich und fühle damit die eigene Unvollkommenheit? Oder schäme ich mich eigentlich für dich und daraus bin ich nicht falsch? Zu guter Letzt holen wir jetzt auch noch Sigmud Freud, österreichischer Begründer der Psychoanalyse, ins Boot. Er meinte "Der Verlust von Scham ist das erste Zeichen des Schwachsinns." Klare Worte und sicher kein Blödsinn. Aber bevor man sich in Luft auflöst oder vor Scham unter dem Erdboden verschwinden möchte, was durchaus als Wunsch legitim sein kann oder vielleicht auch die Rettung, sollte man Stärke zeigen (dürfen) in der eigenen Schwachheit. Schwach sein - Mensch sein.

Fehlbar. Verletzbar.


Gefühlte Grüße, Isabell


 

Lesetipps: - "Gebrauchsanweisung für ein Gefühl: Scham", Artikel in der ZEIT vom 16. November 2016 https://www.zeit.de/zeit-wissen/2016/06/gesellschaft-scham-verhalten-schuld

- "Lob der Scham. Nur wer sich achtet, kann sich schämen" von Daniel Hell - "Scham. Die politische Kraft eines unterschätzten Gefühls" von Jennifer Jacquet - "Gefühle&Emotionen" von Vivian Dittmar

- "Verletzlichkeit ist der Schlüssel zu allem", Interview mit Brene Brown in der SüddeutscheZeitung vom 15. November 2018 https://sz-magazin.sueddeutsche.de/wissen/verletzlichkeit-ist-der-schluessel-zu-allem-86367



Wenn das Ballettstück interessiert, zur Handlung von Schwanensee:


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