Gedanken, Geschichten und Inspirationen über das Leben.
Eines schönen Herbsttages, zur Mittagszeit, war im Wald Ruhe eingekehrt. Da sprang ein junges Eichhörnchen über die Bäume und rief:
"Sagt mir, was ist eigentlich das Leben?“
Alle, die dies hörten, waren über diese Frage betroffen:
Die Rose entfaltete gerade ihre Knospe und sprach: „Das Leben ist Entwicklung.“
Ein Schmetterling flog von Blume zu Blume und naschte da und dort: „Das Leben ist lauter Freude und Sonnenschein.“ Die Ameise schleppte einen großen Strohhalm und bemerkte: „Das Leben ist nichts anderes als Mühsal und Arbeit.“
Ein Maulwurf hob den Kopf aus der Erde und brummte: „Das Leben ist ein Kampf im Dunkeln.“
Hoch oben zog der Adler seine Kreise und frohlockte: „Das Leben ist ein Streben nach oben.“ Mit dem Einbruch der Dunkelheit kam auch der Uhu und krächzte in die Stille: „Das Leben heißt die Gelegenheit nutzen, wenn andere schlafen.“
Ein junger Mann, müde vom Tanzen und Trinken, war am Nachhauseweg und dachte:
„Das Leben ist ein ständiges Suchen nach Glück...“
Zur selben Zeit ging eine schwangere Frau, die nicht schlafen konnte, spazieren und blickend zum Mond: "Das Leben ist Liebe."
Es wurde still am Waldesrand. Bald erwachte die Morgenröte in ihrer Pracht und strahlte:
„Das Leben ist stetes Beginnen und Anbruch der Ewigkeit.“
Rose, Schmetterling, Ameise oder doch Maulwurf... Was ist das Leben?
Diese Frage beschäftigte mich über den Sommer. Ich nahm sie mit am Fahrrad durchs Ennstal, in den Zug durch Deutschland bis an die Nordsee, im Wanderrucksack durch die Berge Bayerns und schließlich mit nachhause, wo ich nun diese Zeilen hier schreibe.
Ich ließ alle meine Sinne offen: Lauschte, wenn mir jemand etwas erzählte. Schaute hin, wenn ich Menschen beobachtet. Schmeckte, wenn ich selbst gemachtes Essen serviert bekam. Roch, wenn ich jemand liebgewonnen umarmte. Und vor allem: Fühlte die Frage. An manchen Tagen voller Neugier und Freude, dann aber auch mit Trauer und Ungeduld.
Ich sehnte doch eine Antwort.
Es kamen nur viele Antworten... Fast so viele wie in der Geschichte eingehend im Wald.
So erzählt auch Benjamin Myers in seinem wunderbaren Roman "Offene See" über den 16jährigen heranwachsenden jungen Mann Robert, der auf die unkonventionelle Dame Dulcie trifft. In vielen Gesprächen eröffnet sich ihm ein ganz anderes Leben. Begleitet von Naturerfahrungen macht sich Robert auf den Weg in sein Leben.
Vielleicht ist es gerade das: Das Leben ist der Weg. Mal klar ersichtlich wie eine Straße, dann wieder verwachsen wie ein unmarkierter Weg im Wald. Dass Leben dabei auch anstrengend sein kann, davon kann wohl ein jeder seine Geschichten erzählen und vielleicht auch singen.
Hilde Domin würde vielleicht drauf antworten:
"Nicht müde werden, sondern dem Wunder leise wie ein Vogel die Hand hinhalten."
Das Leben ein Wunder? Wenn man nur daran denkt wie Leben im Körper einer Frau wächst, so spricht das Wunder für das Leben.
Aber wenn das Wunder und der Weg das Leben sind, braucht es dann nicht ein Bewegen?
Andreas Altmann schreibt in seinem Buch "Gebrauchsanweisung für das Leben" über Liebe und Schmerz, Abenteuer und Freundschaften, Einsamkeit, Religion und den Tod, über Heimat und Sprache. Seine Erfahrungen sammelt Altmann auf der ganzen Welt. Er ist in Bewegung und stellt sich unangenehmen Fragen, die ihn oft überfordern, so der deutsche Schriftsteller.
„Das Leben will geliebt werden. Sonst lahmt es.“ Andreas Altmann
Aus dem Buch: „Stets bilde ich mir ein, dass mein Leben mir zusieht. Das ist ein schräger Satz, doch so empfinde ich es: Mein Leben beobachtet mich und fragt, jeden Tag, ob ich mich seines Geschenkes würdig erweise.“
Dieser Ansatz schwingt nach in mir: Das Leben - ein Geschenk.
Und vielleicht nicht nur ein Geschenk sondern täglich eines. Wie die Morgenröte es bereits sagte:
„Das Leben ist stetes Beginnen und Anbruch der Ewigkeit.“
Vielleicht ist letzten Endes Leben das, was wir daraus machen.
Genießen von allem, was das Leben uns schenkt. In allem.
In diesem Sinne: Lasst uns leben.
Herbstanklingende Grüße,
Isabell
Lesetipp:
- "Offene See" von Benjamin Myers
- "Gebrauchsanweisung für das Leben" von Andreas Altmann
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